Familienfreundlich ausgebremst?

Elternzeit bringt vor allem Müttern Vorteile. Ob das wirklich so ist, will Daniel Kühnle wissen.

Sie gilt als ein Meilenstein: Die Elterngeldreform, die die Vereinbarung von Familie und Beruf verbessern soll. Seitdem tauschen Mütter meist für rund ein Jahr Laptop gegen Fläschchen, und immer mehr Väter wollen Zeit mit dem Nachwuchs verbringen. So weit, so gut. Doch welche Konsequenzen hat das für Mütter? Für arbeitende Frauen? Die Unternehmen? Kann es sein, dass unbeabsichtigt durch die Reform ein für Mütter kontraproduktiver Anreiz geschaffen wurde? Das will Daniel Kühnle, Junior­professor für Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt und Gesundheit, gemeinsam mit Kollegen aus Berlin und Nürnberg herausfinden. Noch sind Fragen offen, aber die ersten Ergebnisse sind da – und weitere spannende Antworten zu erwarten.

Um Kühnles Forschung zu verstehen, braucht es Wissen ums Elterngeld: 2007 wurde die bezahlte Elternzeit reformiert und das Elterngeld ein­geführt, das laut Statistik fast alle Mütter beantragen. Es errechnet sich aus dem Vorjahreseinkommen: Arbeitende Eltern bekommen 65 Prozent, nicht­-erwerbstätige oder geringverdienende Paare bis zu 100 Prozent. Mindes­tens gibt es 300 Euro, gedeckelt wird bei 1.800 Euro. 14 Monate kann man sich gemeinsam ums Kind kümmern, wobei egal ist, wie. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate ­betreuen.

Wer Mutter ist und arbeitet, bekommt im Schnitt monatlich 829 Euro netto Basiselterngeld.

„Letztes Jahr nahmen 1,4 Millionen Frauen Elterngeld für durchschnittlich 11,7 Monate in Anspruch. Ein Wert, der seit 13 Jahren relativ kons­tant ist. Dabei gibt es jedoch große sozioökonomische Unterschiede, wie sie die Elternzeit nutzen. Sie können teilweise durch die finanzielle ­Anreizstruktur erklärt werden“, so Kühnle. Wer Mutter ist und arbeitet, bekommt im Schnitt monatlich 829 Euro netto Basiselterngeld, ohne ­eigenes Einkommen sind es 300 Euro netto. Dementsprechend gehen ­ältere Mütter mit höherem Verdienst in die längste Elternzeit.

Was sich der Wirtschaftswissenschaftler fragte: Müssen Frauen negative Folgen auf dem Arbeitsmarkt befürchten, je länger sie in Elternzeit sind? „Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass dies nicht der Fall ist. Durch die typische 12+2 Aufteilung, also 12 Monate die Mutter, zwei ­Monate der Vater, ist ein sozialer Anker geschaffen worden.“ Inzwischen gilt es also als normal, dass die Mutter ein Jahr aussetzt, negative Folgen hat sie laut Studien nicht zu befürchten.

Und was ist mit den Vätern? Vor der Reform nahmen sich lediglich drei Prozent von ihnen bezahlte Elternzeit fürs Kind, nach Einführung des ­Elterngeldes ist es jeder dritte – stark abhängig davon, wie viel er verdient und wo er arbeitet. „Väter im öffentlichen Dienst nehmen deutlich häufiger Elternzeit als in der Privatwirtschaft. Generell wird eher Elternzeit ­genommen, wenn die Frau auch gut verdient“, so Kühnle. Aktuell untersucht er noch, wie Firmen damit umgehen. Die entscheidende Frage ist: Liegt es an den Männern oder an den Arbeitgebern, dass Väter wenig oder keine Elternzeit nehmen?

Werden von vorneherein weniger Frauen eingestellt?

Nach der Elternzeit kehren die meisten Frauen zurück ins Arbeitsleben, wenn auch oftmals in Teilzeit. Kühnle untersucht, wie sich in einer Firma die Verfügbarkeit von Beschäftigten auf das Rückkehrverhalten von ­Müttern auswirkt. „Wir können klar zeigen: Mütter, die nur wenige so ­genannte interne Substitute haben – sprich Kolleg*innen, die die gleiche Arbeit verrichten können –, kehren schneller zurück als Mütter, die von mehreren vertreten werden.“

Daniel Kühnle ist seit einem Jahr VWL-Juniorprofessor an der UDE. Er untersucht, wie Deutsche mit Zigarettenwarnungen und Rauchver­boten umgehen und wie Elternschaft die Erwerbsverläufe von Müttern und Vätern beeinflusst.


Foto: Frank Preuß

Firmen, die nicht intern auf Personal zurückgreifen können, bedienen sich stärker am externen Arbeitsmarkt und stellen vorübergehend mehr ein; anders größere Unternehmen: Sie können leichter selbst kompensieren. „Wir untersuchen gerade, ob längere Elternzeiten negative Effekte für die Firmen haben, z.B. höhere Kosten, da sie Vertretungskräfte suchen, einstellen, ein­arbeiten müssen. Ich kann spannende Ergebnisse in Aussicht stellen, da wir mit administrativen Daten der ­Agentur für Arbeit in Nürnberg arbeiten.“

Statistische Diskriminierung

Dass Firmen Mütter akzeptieren, die ein Jahr fürs Baby pausieren, weiß man also. Aber versuchen sie, die Situation zu umgehen, indem sie weniger Frauen im gebärfähigen Alter beschäftigen? „Genau das ist die Schlüsselfrage, die wir selbst gerne beantworten möchten. Wir schauen uns mithilfe der detaillierten Daten gerade an, ob Firmen weibliches Personal weniger oder nur für kürzere Zeit einstellen oder ob sie Neueingestellte schlechter bezahlen.“ Kühnle hält es für möglich, „dass sich die Elterngeld­reform unbeabsichtigterweise für Mütter als nachteilig herausstellt: „Firmen können davon ausgehen, dass junge weibliche Angestellte, wenn sie denn ein Kind bekommen, länger fehlen werden. Dies ist für Betriebe teurer, weshalb sie dem mit ‚statistischer Diskriminierung‘ entgegnen könnten. Das heißt, sie stellen einfach weniger aus der Gruppe ein, die ihnen höhere Kosten beschert. Ob das so ist, werden wir bald wissen.“

Ebenso, ob diese Frauen in Gehalt und beruflichen Ambitionen und Aufgaben herabgestuft werden und ob dadurch die Chancen für Berufsanfängerinnen, Männer oder ältere Arbeitnehmerinnen steigen. „Das Thema Elterngeld“, freut sich Kühnle, „bleibt jedenfalls spannend für uns.“

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