„Wir brauchen Anreize, keine Verbote“

Wie kann man die Uni klimafreundlicher machen? Ein Gespräch mit Professor André Niemann und Ilka Roose vom Team Nachhaltigkeitsprozess.

Das Gespräch führte Ulrike Bohnsack.

Herr Niemann, wie „grün“ ist die UDE?
Niemann: Da geht es uns wie allen Hochschulen: Wir haben noch ordentlich Luft nach oben. Man sollte sich klarmachen, dass wir an der UDE mit unseren fast 50.000 Studierenden und Beschäftigten so groß sind wie eine Kleinstadt. Lehre, Forschung und vor allem den Betrieb nachhaltig zu gestalten, ist ein Prozess, der dauert. In einer hochdemokratischen Einrichtung wie der Uni reden viele Leute mit, und das Land macht in vielen Bereichen Vorgaben. Aber die UDE handelt genau dort, wo Sie es auch gestalten kann.

Sie stoßen seit 2013 als Nachhaltigkeitsbeauftragter diesen Prozess an. Wie?
Niemann: Wir haben vor mehr als fünf Jahren begonnen zu prüfen, wie weit wir sind: Welche Strukturen sind da, welche sind hinderlich oder fehlen? Wir haben mit den Fakultäten, Wissenschaftlichen Einrichtungen und der Verwaltung gesprochen und erfahren, was sie bezüglich Nachhaltigkeit machen. Umgekehrt haben wir ihnen von nachahmenswerten Beispielen berichtet.
Diese Beispiele holen wir vor allem aus den Netzwerken zum Thema und aus dem BMBF Projekt HochN, in dem die UDE als einzige NRW Universität mitwirkt. Im Fokus sind vor allem die Bereiche mit besonderer Verantwortung beim Klimaschutz – vor allem Energie, Mobilität, Beschaffung und Reisen. Nicht das vielzitierte Ökopapier.
Unsere Bestandsaufnahme und wie es weitergeht, diskutieren wir gerade mit dem Rektorat, das uns im Übrigen sehr unterstützt.

Senken wir unseren Verbrauch, erhalten wir weniger Geld. Da fehlt also ein Anreiz.

Was ist denn ein Beispiel für ‚hinderliche Strukturen’?
Niemann: Der Energieverbrauch: Wir geben jedes Jahr fast 10 Millionen Euro für Strom und Wärme aus, aber bei der Erfassung in den Altbauten, in den einzelnen Gebäuden oder Etagen, hakt es. Wir bekommen Mittel vom Land zugewiesen für die Energie- und Heizkosten. Senken wir unseren Verbrauch, erhalten wir weniger Geld. Da fehlt also ein Anreiz, den das Land für alle Hochschulen schaffen müsste.
Ein anderes Beispiel ist der Einkauf: Die Posten für IT, Gase für Labore etc. und Bürobedarf machen in Euro eine höhere dreistellige Millionensumme aus. Wir haben mit den Verantwortlichen geschaut, ob man hier nicht nachhaltiger werden kann, ob man einen „grünen“ Katalog als Alternative einführt, ob sich die Zahlen der Bestellvorgänge reduzieren lassen, indem man sie bündelt. Transparenz hilft hier enorm. Das hat geklappt, und dennoch sind wir durch das Land gehalten, das wirtschaftlichste Angebot und nicht das nachhaltigste zu nehmen. Also muss ich den Tisch aus Kunststoff kaufen, weil der billiger ist als der aus Holz.

Welche sind lobenswerte Beispiele?
Roose: In den Mensen werden immer mehr regionale Produkte aufgetischt. Ein E-Auto fährt mehrmals täglich die Post zwischen den Campi. Über die UDE-Kleinanzeigen können Beschäftigte nicht mehr benötigte Büromöbel und Geräte innerhalb der Uni weitergeben, statt sie zu entsorgen, oder auch nach Dingen suchen. Das Portal gibt es seit zwei Jahren, es könnte aber besser laufen. Fachübergreifend können die Studierenden ein Zertifikat BNE – Bildung für Nachhaltige Entwicklung machen. Es gibt die Initiative CampusGarten. Das Öko-Referat des AStA hat für kostenlose Leihräder gesorgt, initiiert grüne Aktionswochen.

Niemann: Das Gebäudemanagement hat Projekte zum energieeffizienten Handeln gestartet. Das Team der Unibibliothek hat ein eigenes internes Programm für Nachhaltigkeit und einen Energie- und Umweltscout. Ach, wir könnten noch so viel mehr aufzählen …

Was fehlt aus Ihrer Sicht?
Roose: Man bräuchte eine Anlaufstelle, wo die Fäden zusammenlaufen. Es ist unheimlich viel Engagement erkennbar, insbesondere von Studierenden. Es gibt viele Aktivitäten und Initiativen, die einfach besser kommuniziert und vernetzt werden müssten. Denn oft sind sie nicht bekannt.

Es fehlt ein perspektivisches Mobilitätsmanagement.

Niemann: Es fehlt ein perspektivisches Mobilitätsmanagement. Wir sind eine Zwei-Campus-Uni mit knapp 50.000 Menschen. Hier haben wir also eine besondere Verantwortung und das ist sicher nicht der Dieselbus. Die Radtrasse zwischen Duisburg und Essen wird beide Campi verbinden. Für die UDE eine echte Chance Es muss eine langfristig angelegte behutsame Einführung einer Parkraumbewirtschaftung geben, die Möglichkeit, als Uni-Beschäftige ein Rad zu leasen usw.
Und da sind wir beim nächsten Punkt: dem Anreizsystem. Wir brauchen eines, sonst findet hier kein Klimaschutz statt. Wir würden auch zu langsam sein. Man muss ein Bewusstsein für das Verbrauchsverhalten am Arbeitsplatz schaffen.

Was ist mit einer Klimaschutzrichtlinie?
Niemann: Nein. Nachhaltigkeit kann man nicht von oben verordnen, man kann bestenfalls lenken. DurchKommunikation und Transparenz motivieren sie die Leute, bei Dienstreisen, beim Materialeinkauf und beim persönlichen Verhalten im Büro bzw. Uni-Alltag etwas zu ändern. Außerdem ist unsere Uni dezentral organisiert; es gibt nicht die eine Person, die alles entscheidet, das muss schon in den einzelnen Bereichen passieren. Ich denke da eher an einen Klimaschutzkodex der UDE …

Stichwort Dienstreisen: Was halten Sie davon, Inlandsflüge zu verbieten, Auslandsflüge zu kontingentieren?
Roose: Wir sind, wie gesagt, gegen Vorgaben oder Verbote. Es gibt andere Möglichkeiten, etwa einen Reisekodex. Hierüber wird gerade im internationalen Hochschulverband AURORA diskutiert, zu dem die UDE gehört. Man sollte sich fragen: Ist es wirklich nötig, für einen halbstündigen Vortrag nach Afrika zu reisen? Brauche ich diese Konferenz? Eine junge Doktorandin, die am Anfang ihrer Karriere steht und sich erst ein Netzwerk aufbauen muss, wird das anders beantworten als ein etablierter Forscher. Diesen Kodex könnte man noch durch ein Monitoring erweitern: also erfassen, wie gereist wird. Auch muss es Anreize für mehr virtuelle Konferenzen und Meetings geben.

Nachhaltigkeitsprozess (napro)
Dieser wird seit 2014 an der UDE in Lehre, Forschung und Verwaltung durchgeführt und ist nahezu abgeschlossen. Der Bericht wird im Frühjahr 2020 veröffentlicht. Das Napro-Team ist übrigens überschaubar: Neben Niemann, der im eigentlichen Beruf Professor für Wasserbau ist und “nur” ehrenamtlich Nachhaltigkeitsbeauftragter, arbeiten noch Ilka Roose und Elisa Gansel mit unterschiedlichen Aufgaben mit.
https://www.uni-due.de/nachhaltigkeit/

Niemann: Transparenz hilft auch hier. Man könnte etwa auf Fakultätsebene anonymisiert die Flugkilometer veröffentlichen. Das appelliert an die besondere Verantwortung und schafft Transparenz. Oder Tools anbieten wie den Tyndall Travel Tracker. Die ETH Zürich etwa nutzt es, um die durch die Uni verursachten Flugmeilen zu monitoren und zu reduzieren. Auch an der UDE wird das Reiseverhalten schon hinterfragt. Das Institut für Ostasienwissenschaften sieht sich beispielsweise in einer besonderen Verantwortung.

Wenn ich eine Idee habe, wie an der Uni Ressourcen gespart werden können, spreche ich Sie an?
Niemann: Das können Sie immer gerne tun, aber wir werden das leider nicht managen können, solange es aktuell keine belastbareren Strukturen für eine Rückmeldung oder Umsetzung guter Ideen. Schon personell nicht. Nachhaltigkeit ist ein Dauerjob. Deswegen brauchen wir eine Anlaufstelle, die sich um solche Ideen kümmert.

Sie denken an ein Green Office. Was ist das?
Roose: Die Idee stammt aus Maastricht, und Grüne Büros sind mittlerweile schon an vielen Hochschulen zu finden. Ein Green Office koordiniert alle Nachhaltigkeitsbestrebungen, es informiert, verbindet und unterstützt hierbei Studierende wie Beschäftigte. Es gibt aber kein starres Modell, wie ein solches Office konzipiert ist. Wie das an der UDE aussehen könnte, müssen wir gemeinsam mit allen interessierten Akteur*innen überlegen.

Niemann: Diese Anlaufstelle zu schaffen, ist unsere Empfehlung an die Hochschulleitung. Vielleicht wird es auch ein gemeinsames Green Office mit Bochum und Dortmund geben. Darüber hinaus finde ich, sollten wir mutiger werden: Was wir die Studierenden lehren, sollten wir am Campus auch vorleben. Sie wollen das auch ausdrücklich.

Fotos: Frank Preuß

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