Von Wenigem zu viel: die Treibhausgase
Was natürlich und was menschengemacht ist
Ein Gastbeitrag von Atmosphärenforscher Professor Reinhard Zellner
Unsere Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem, der höheres Leben ermöglicht. Der Grund ist der „richtige“ Abstand zur Sonne, die Energie und Wärme gerade in einem Ausmaß bereitstellt, dass Wasser als unser Lebenselixier in flüssiger Form existieren kann. Auf unseren Nachbarplaneten Venus und Mars ist es entweder zu heiß (Wasserdampf) oder zu kalt (Eis).
Aber nicht nur der Abstand zur Sonne, sondern auch die Atmosphäre, die dünne Luftschicht oberhalb unserer Köpfe, ist enorm wichtig. Sie schützt vor dem extrem energiereichen kurzwelligen Teil der Sonnenstrahlung, stellt den lebenserhaltenden Sauerstoff zur Verfügung und sorgt dafür, dass sich die mittlere Temperatur bei angenehmen +15°C bewegt.
Während die Sonne also den größten Anteil an unserer Temperatur hat, ist die Atmosphäre deren Temperatur-Komfortmodul. Denn ihre klimawirksamen Spurengase oder auch Treibhausgase sind zum Teil in äußerst geringer Konzentration vorhanden, sie entfalten aber eine enorm große zusätzliche Heizwirkung.
Der Segen der Treibhausgase
Die Erde steht im Strahlungsgleichgewicht mit der Sonne. Sie empfängt genau so viel Energie von dem gelben Himmelskörper, wie sie in den Weltraum zurückstrahlt. Allerdings unterscheiden sich die Spektralbereiche:
Während die Sonne aufgrund ihrer Oberflächentemperatur von zirka 6.000 Kelvin im ultravioletten und sichtbaren Bereich mit einem Intensitätsmaximum bei etwa 500 Nanometer* strahlt, hat die erdnahe Rückstrahlung ihr Maximum bei zirka 10 μm** im nicht-sichtbaren Infrarotbereich. Sie wird deshalb auch Wärmestrahlung genannt. Wenn die Erde keine Atmosphäre hätte, würde das Strahlungsgleichgewicht zwischen Sonne und Erde rechnerisch eine bodennahe Temperatur von unwirtlichen –18°C produzieren.
Die Atmosphäre hebt diese Temperatur auf etwa +15°C an. Das liegt an dem so genannten Treibhauseffekt und den Treibhausgasen. Dies sind nicht etwa die Hauptgase der Atmosphäre, Stickstoff und Sauerstoff, sondern einige Spurengase, die aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften Wärmestrahlung aufnehmen können. Sie verhindern, dass die abgestrahlte Energie vom Boden ungehemmt die Atmosphäre durchdringt und in den Weltraum entweicht.
Im Gegenteil: Diese Strahlung wird „aufgehalten“ und sogar in Richtung Boden wieder reflektiert. Das Ergebnis ist, dass die Temperatur der unteren Atmosphäre und damit der Erdoberfläche höher ist, als es ohne diese Gase der Fall wäre.
Das bei weitem stärkste Treibhausgas ist der Wasserdampf; danach folgen Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Ozon (O3) und Distickstoffoxid (N2O). Gemeinsam sind sie verantwortlich für den so genannten natürlichen Treibhauseffekt von insgesamt 33°C. Natürlich deshalb, weil diese Gase in der ungestörten natürlichen Atmosphäre auch ohne Zutun des Menschen praktisch immer vorhanden waren. Grundsätzlich waren und sind die Treibhausgase also ein Segen für den Globus.
* ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter
** ein Mikrometer ist ein Millionstel Meter
Der Fluch der Treibhausgase
Spätestens seit Mitte des letzten Jahrhunderts hat der Mensch begonnen, die Zusammensetzung der Atmosphäre bezüglich der Spurengase zu ändern. Die Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid und bodennahem Ozon haben seither um 46, 12, 20 und 25 Prozent zugenommen. An der Lufthülle der Erde betragen sie heute 410 parts per million (0,041 %), 1,84 ppm (0,000184 %), 0,332 ppm (0,000033 %) und 0,05 ppm (0,000005 %).
Die Ursachen sind der exzessive Gebrauch fossiler Brennstoffe (CO2), die Emissionen aus Reisfeldern, Mülldeponien, Rindermägen, Feuchtgebieten und bei der Erdgasgewinnung (CH4), natürliche und landwirtschaftlich genutzte Böden (N2O) und die Stickstoffoxide/Kohlenwasserstoff-Abgase aus dem Kfz-Verkehr (bodennahes O3).
Hinzu kommen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die bekanntlich das Ozonloch verursachten. Sie wurden als Aerosoltreibgase, Kälte- und Lösungsmittel weltweit verwendet und waren zuvor in der Atmosphäre nicht vorhanden. Die FCKW-Konzentration nahm in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts stark zu; sie befindet sich aber im Abklingen, seit das Montrealer Protokoll 1989 in Kraft trat, um die Ozonschicht in der Stratosphäre zu schützen. Heute beträgt die FCKW-Menge zirka 800 parts per trillion (ppt) oder 0,00000008 %.
Wie stark die einzelnen Treibhausgase wirken, hängt davon ab, welche physikalisch-chemischen Strahlungseigenschaften sie jeweils haben und wie ihre Konzentration und Lebensdauer in der Atmosphäre ist. Sobald ein Treibhausgas eine größere Aufenthaltszeit in der Lufthülle der Erde hat, kann es seine Wirkung im Klimasystem über längere Zeiträume entfalten.
Dies gilt für das Kohlendioxid (120 Jahre), das Distickstoffoxid (114 Jahre) und die FCKW (65 bzw. 120 Jahre). Das Methan dagegen hat eine relativ kurze Lebensdauer von nur zehn Jahren. Die Erderwärmungswirkung über einen bestimmten Zeitraum wird durch die so genannten GWP-Werte (Greenhouse Warming Potential) beschrieben. Dabei wird die Menge eines Treibhausgases mit dem GWP-Wert gewichtet und dann als CO2-Äquivalent-Menge angegeben.
Die derzeitige weltweite CO2-Emission beträgt ca. 40 Gigatonnen (Gt)* pro Jahr; die Emission aller Treibhausgase in CO2-Äquivalenten gemessen liegt gar bei 56 Gt. Für Deutschland macht die CO2-Emission seit vielen Jahren fast unverändert zirka 0,9 Gt aus, also gut zehn Tonnen pro Kopf der Bevölkerung pro Jahr.
* eine Gigatonne ist eine Milliarde Tonnen
Reinhard Zellner
Der Professor für Physikalische Chemie mit Schwerpunkt Atmosphärenchemie forschte bis 2018 an der UDE. Er gehörte zwei Umwelt-Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags an. Außerdem koordinierte er das deutsche Ozon-Forschungsprogramm und war Vorsitzender des Sachverständigenkreises ‚Globale Umweltaspekte‘ des Bundesforschungsministeriums.
Bis 2018 war Zellner auch verantwortlich für zwei Ausschüsse zu Luftqualität und Feinstäuben in der Gesellschaft Deutscher Chemiker.
Folgen und Handlungsbedarf
Die globale Mitteltemperatur der Erde hat sich seit Beginn der Industrialisierung um gut 1°C erhöht. Die Klimaforschung führt dies zweifelsfrei auf die Zunahme der klimawirksamen Spurengase zurück. Schreitet das ungebremste Wachstum fort, wird für das Jahr 2100 ein weiterer Anstieg auf 4 bis 6°C vorausgesagt. Die Folgen einer solchen Temperaturerhöhung sind jetzt schon erkennbar: Anstieg der Meeresspiegel, Unbewohnbarkeit tiefliegender Küstenzonen, Zunahme von Stürmen, Trockenheit und Extremwetterlagen (Starkniederschläge und Heißwetter-Perioden). Es muss also dringend gehandelt werden.
Ziel ist deshalb, dass die globale Temperatur nicht mehr als weitere 1,5°C steigt. Das 2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens von 2015 wird vom UNO-Weltklimarat längst nicht mehr als ausreichend angesehen, um die oben genannten Folgen einzudämmen.
Das heißt: Die derzeitige CO2-Emission muss dramatisch reduziert und der derzeitige Wachstumstrend spätestens Mitte der 2020iger umgekehrt werden. Dies ist eine enorm große technische, wirtschaftliche und auch politische Herausforderung, weil es bedeutet, dass wir graduell und schließlich vollends auf die fossilen Energieressourcen verzichten und auf regenerative Energieformen (Wind- und Solarkraft) umsteigen müssen.
Das Ende der 5-Kilowatt-Gesellschaft
In Deutschland – wie in anderen Industrieländern auch – leben wir derzeit in einer 5-Kilowatt-Gesellschaft. Dies heißt, dass wir unsere rein biologisch erforderliche Leistung von etwa 120 Watt um das 40-Fache überschreiten. Oder anders ausgedrückt: Wir haben alle 40 Sklaven im Keller, die unseren Wohlstand und Lebensstil sicherstellen. Das kann ein Globus mit nunmehr knapp acht Milliarden Menschen unmöglich leisten – zumal diese Zahl noch weiter anwachsen wird (hauptsächlich in Afrika) und ein Großteil der Wachstumsländer einen enormen wirtschaftlichen und energetischen Aufholbedarf hat. Dieser darf keinesfalls mehr aus fossilen Energiequellen gedeckt werden. Es ist eine Frage der globalen Verantwortung und auch Gerechtigkeit, diesen Ländern technisch und gegebenenfalls auch finanziell zu helfen.
Fotos: NASA (2) / privat