Klimaschutz, aber wie?

Drei Fragen an den Wirtschaftsweisen Professor Achim Truger

Muss das Wirtschaftswachstum gebremst werden, um das Klima zu retten?

Nein, nicht notwendigerweise. Ich denke, der zunächst einfachere Weg ist es, weiter auf eine Entkopplung von Treibhausgasemissionen und Bruttoinlandsprodukt zu setzen. Das wäre der Ansatz des so genannten Green Growth. Demnach wäre es weiter möglich, auf Wachstum zu setzen, weil das Wachstum qualitativ anders ist – in dem Sinne, dass es dann eben nicht mehr klima- oder allgemeiner ökologisch schädlich ist.

Es ist allerdings klar, dass dieser Ansatz eine bisher nicht gekannte Steigerung der Ressourceneffizienz bedeuten würde. Daher könnte es durchaus sein, dass mittel- bis langfristig auch das Wachstumsziel selbst in Frage gestellt werden müsste. Rein rechnerisch ist das auch sehr überzeugend: Wenn weniger produziert und konsumiert wird, sinkt automatisch der Treibhausgasausstoß. Das Schwierig dabei ist, dass die Schrumpfungsphasen der Vergangenheit immer ökonomische Krisenphasen waren mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und entsprechenden sozialen und politischen Problemen. Die Herausforderung bestünde darin, einen nicht-krisenhaften, kontrollierten, wirtschafts- und sozialverträglichen Schrumpfungsprozess einzuleiten.

Ob und wie das gelingen kann, bin ich mir leider noch sehr unsicher. Allerdings diskutieren Kolleg*innen hier am Institut für Sozioökonomie entsprechende Ideen. Da wird es weiter einen sehr anregenden Gedankenaustausch und Kooperationen geben.   

CO2-Steuer, Emissionshandel oder … – Was schlagen Sie vor, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht?

Deutschland hat sich gegenüber der EU verpflichtet, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 zu senken. Dieses Ziel wird es deutlich verfehlen, wenn nicht zusätzliche klimapolitische Maßnahmen ergriffen werden. Sanktionen aus Brüssel drohen. In unserem Sondergutachten für die Bundesregierung zum Klimaschutz haben wir Wirtschaftsweisen* uns dabei für eine CO2-Bepreisung als Leitinstrument ausgesprochen. Im Moment geht es vor allem um die Sektoren Verkehr und Private Haushalte (Hauswärmebereich), die noch nicht im EU-Emissionshandelssystem für Energieerzeugung und Industrie erfasst sind.

Ob die Bepreisung in diesen Sektoren letztlich über eine CO2-bezogene Energiebesteuerung oder einen Emissionshandel läuft, ist eher zweitrangig. Auch für die Bevölkerung ist die sichtbare Auswirkung letztlich dieselbe: CO2-intensive Güter- und Dienstleistungen sowie Lebensweisen verteuern sich schrittweise spürbar, was langfristig zu massiven Anreizen für klimafreundliches Verhalten und Innovationen führt. Ich persönlich bevorzuge eher die Steuerlösung, das ist administrativ am einfachsten und schnellsten umsetzbar. Hinzu kommen müssen massive öffentliche Investitionen in die ökologische Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung.

* Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR)

Sie plädieren für eine sozial ausgewogene Klimapolitik. Was heißt das genau?

Generell halte ich eine möglichst gleichmäßige Einkommens- und Vermögensverteilung für sehr wichtig. In den letzten Jahrzehnten ist die Verteilung des verfügbaren Einkommens trendmäßig auch in Deutschland immer ungleichmäßiger geworden. Außerdem hat sich die Steuer- und Abgabenlast deutlich von oben nach unten verschoben. Ich halte das für sozial und politisch höchst gefährlich und finde, dass in ökonomischen Analysen stärker berücksichtigt werden sollte, wie sich wirtschaftspolitische Maßnahmen auf die Verteilung auswirken.

Das gilt natürlich auch beim Klimaschutz. Wir vom Sachverständigenrat, aber auch andere haben ausführliche Verteilungsanalysen durchgeführt. Ein CO2-Preis wirkt für sich genommen immer regressiv, d.h. er belastet tendenziell Haushalte mit geringeren Einkommen relativ stärker als solche mit hohen Einkommen. Daher sind Maßnahmen zur Kompensation der Belastungen ganz wichtig. Wenn man einen wesentlichen Anteil der Einnahmen, die über die CO2-Bepreisung erzielt werden, an die Haushalte zurückgäbe, etwa über einen pauschalen Betrag pro Kopf, ließe sich damit im Durchschnitt sogar ein progressiver Effekt erzielen: Bei diesem würde die untere Hälfte der Einkommen entlastet und die obere Hälfte belastet.

Flankiert man dies durch Härtefallregelungen und Investitionen in ökologische Infrastruktur und Förderprogramme, so dass die Haushalte auch wirklich die Möglichkeit haben, sich ökologisch zu verhalten, dann verbessert sich sogar die Verteilungssituation, und niemand wird überfordert. 

Dr. Achim Truger

Der Professor für Soziökonomie mit dem Schwerpunkt Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der UDE gehört dem fünfköpfigen Sachverständigenrat an – besser bekannt als Wirtschaftsweise –, der die Bundesregierung wirtschaftspolitisch berät. Jedes Mal mit Spannung erwartet wird das Jahresgutachten des Gremiums.

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