Ein Segen gegen Regen
Starkregen kommt meist kurz, aber heftig. Helfen können innerstädtische „Sollflutstellen“.
Von Birte Vierjahn
Es ist ziemlich dunkel. Das leise „Pling, pling“ wird innerhalb von Sekunden zum ohrenbetäubenden Rauschen. Der Deutsche Wetterdienst hat eine Unwetterwarnung herausgegeben, wie immer ab erwarteten 15 Litern pro Quadratmeter und Stunde. Ein Schirm ist jetzt nur noch Accessoire.
Die Starkregenforschung steckt quasi noch in Kinder-Gummistiefeln, aber Leon Netzel kennt sich aus mit Wasser. Der 28-Jährige ist studierter Hydrologe und promoviert derzeit im NRW-Forschungskolleg „Future Water“. Er weiß: „Erst seit 2001 gibt es überhaupt flächendeckende Radarmessungen zu Regenereignissen.“
Und wann ist die Überflutungsgefahr am höchsten? Nein, nicht im Herbst. Meist sind es die Sommergewitter, die Rinnsteine zu reißenden Bächen machen, Dachrinnen überfordern und Gullydeckel heben.
„Gefühlt häufen sich starke Regenfälle.“
„Gefühlt häufen sich solche starken Regenfälle“, erklärt Netzel, „aber bestätigen kann die Wissenschaft das noch nicht.“ Denn erst nach 30 Jahren ständiger Beobachtung steht fest, ob es ein Trend oder nur eine statistische Schwankung ist.
Die meisten Menschen glauben allerdings, dass der Klimawandel auch zu häufigerem Starkregen führt, hat Netzel in Umfragen herausgefunden. „Aber trotzdem glaubt kaum jemand, dass er selbst direkt betroffen sein könnte.“ Bei uns doch nicht! Diese Geisteshaltung untersucht der Hydrologe in seiner Promotion. Sprich: Es gibt gute bauliche Anpassungsmaßnahmen, die helfen, die Folgen von Starkregen zu reduzieren. Aber wie gut werden sie akzeptiert?
Schlüsselelement kommunaler Planung sind „multifunktionale Flächen“: Wiesen, Parkplätze, Straßen, die bei Bedarf gezielt überflutet werden können, um Schlimmeres zu verhindern. Auch begrünte Dächer, Pflastersteine mit Löchern oder regendurchlässiger Asphalt helfen. Sie sorgen dafür, dass nicht sämtlicher Regen sofort in der überforderten Kanalisation landet
und an unerwünschter Stelle wieder herausquillt oder den direkten Weg über die versiegelte Straße in die Garage nimmt.
Es wundert nicht, dass die Niederländer das Konzept besonders kreativ umgesetzt haben – geht es doch um ihren ewigen Widersacher Wasser: Auf dem Rotterdamer Benthemplein gibt es einen Spielplatz für große Kinder: Eine Tanzbühne, eine Skatebahn und einen Basketballplatz mit Tribüne, alles aus Beton, türkis-blau bemalt wie Isobaren auf einer Wetterkarte. Wenn es schüttet, läuft der Regen aus der Umgebung zusammen: zunächst durch einen Filter und dann – Ästhetik muss sein! – durch die Rohre der Skatebahn, kleine Wasserspeier und eine Wasserwand in alle drei Becken. Zwei Tage lang wird er dort gehalten, erst danach ins Grundwasser abgeleitet. Dessen Niveau bleibt damit konstant und hilft bei Trockenperioden, Bäume und Pflanzen zu versorgen. Von Anfang an haben Anwohner und lokale Unternehmer das Projekt mitgestaltet.
„Und das ist der zentrale Punkt“, so Netzel. Denn es gibt auch Kehrseiten dieser multifunktionalen Flächen. „In Vierteln, wo es ohnehin schwierig ist, eine Lücke fürs Auto zu finden, kann ein absichtlich überfluteter Parkplatz schwierig zu vermitteln sein.“ Oder die Wiese, die seit drei Tagen unter Wasser steht, wird als unhygienisch empfunden. Das dort geplante Konzert muss ausfallen. Und was ist mit der Sicherheit für Kinder bei so großen Wasserflächen? Damit eine kommunale Maßnahme akzeptiert wird, ist gute Planung und offene Kommunikation nötig. Frühzeitig. Die Holländer zeigen, wie es geht.
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