Bit für Bit, Stein auf Stein

Was schwebt über der Baustelle, mauert und schleppt Steine? Der Seilroboter des Mechatronik-Lehrstuhls – er hatte Weltpremiere.

Was ist das denn? Keine wirbelnden Roboterarme, kein wuchtiges Metallgehäuse. Stattdessen: ein Gerüst groß wie ein Haus, daran kreuz und quer verspannte Kunststoffseile. Sie bewegen einen kompakten, würfelförmigen Rahmen mit Greifer. Dieser trägt gerade einen Stein durch die Halle und platziert ihn auf einer Mauerreihe. Das Ding hier soll also ein Haus bauen können?

Es kann!

Zumindest in der Theorie.

Der Seilroboter, geht er denn in Serie, dürfte die Bauindustrie revolutionieren. Aus handelsüblichem Kalksandstein soll er bald in einem Tag eine ganze Etage von etwa 50 m2 mauern und auch andere Arbeiten übernehmen: bemörteln, Steine unterschiedlicher Formate versetzen, Stürze einziehen. Und er wird noch mehr lernen, betont Professor Tobias Bruckmann, der die Arbeitsgruppe koordiniert., . „Unser Ziel ist es, dass er mehrere Etagen übereinander schafft und schneller arbeitet als jetzt.“

Noch ist Kumpel Roboter nämlich sehr gemütlich unterwegs. Dafür ist er standfest und stark – 100 Kilo kann er schleppen –, präzise dank etlicher Sensoren und leise: Nur ein feines Sirren ist zu hören, wenn er rackert. Modernste Antriebstechnik halt. Die Seile werden über computergesteuerte Winden auf- und abgewickelt. Bruckmann lächelt. „Der Clou aber ist das.“ Er öffnet einen Metallschrank, zeigt auf eine Kiste, groß wie ein halber Schuhkarton. „In der Steueranlage steckt die Intelligenz.“


Zwei Jahre haben die UDE-Teams (Mechatronik sowie Baubetrieb & Baumanagement) an diesem Prototyp getüftelt. Partner waren außerdem das Institut für Angewandte Bauforschung Weimar und die Forschungsvereinigung Kalk-Sand. Fördergelder flossen vom Land und von der AiF. Teile der Erfindung sind bereits patentiert.

Seit fast 20 Jahren erforscht der Lehrstuhl, wo Seilroboter in der Industrie angewendet werden könnten, und entwickelt entsprechende Demonstratoren. „Im Bauwesen dagegen ist das meiste noch menschzentriert, erst seit wenigen Jahren wird digital geplant“, sagt der Ingenieur. Er ist überzeugt, dass die Automatisierung auch in dieser Branche Berufe verändern und Tätigkeiten angenehmer machen wird. Werden nicht händeringend Fachkräfte gesucht? „Unser Seilroboter übernimmt körperlich anstrengende Aufgaben, kann auch nachts arbeiten, und die Qualität ist hoch.“

Wo bleibt der Mensch? „Den wird’s auf der Baustelle weiter geben.
Zum Auf- und Abbauen des Roboters, bei Überwachung und Wartungs­auf­gaben – da wird er künftig gebraucht. Statt Maurerkelle sind dann Schraubenschlüssel und PC seine Werkzeuge.“

Mehr über den Seilroboter im Video und auf der Projektseite.

im Bild

großes Bild (l.):
Blick von oben: Der Seilroboter hat die ersten Mauerreihen geschafft.

1 Blick in die Versuchshalle. Ein Team von Doktoranden hat den Seilroboter hier aufgebaut und in Betrieb genommen.

2 Ein typischer Kalksandstein (23 kg) wird auf die Bemörtelungsanlage geschoben.

3 Nachdem der Stein maschinell bemörtelt wurde, wird er vom Seilroboter zur richtigen Stelle transportiert, platziert (Bild) und – wenn es sein muss – auch versetzt. Das funktioniert über mehrere Etagen.

4 Computergesteuerte Winden spulen die insgesamt 170 Meter Seil auf und ab. Das Seil (Bruchlast: fünf Tonnen) ist gängige Outdoor-Ware.

5 Doktorand Robin Heidel überprüft die Antriebstechnik in der Schalt­zentrale. Alle Daten kommen hier zusammen.

6 Alle Prozesse werden digital überprüft und gesteuert.

7 Sie gehören zu den Erfindern (v.l.): Doktorand Roland Boumann, Professor Tobias Bruckmann, Doktorand Robin Heidel, Professor Dieter Schramm und Doktorand Patrik Lemmen.

Alle Fotos: Frank Preuß

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