„Ich bin doch nicht so wahnsinnig und bleibe an der Uni!“
Dachte Doris Segets mal. Inzwischen ist die Juniorprofessorin ein erfolgreiches Forschungstalent in der Nanowelt – und im nächsten Leben vielleicht Bäuerin.
Die Sonne scheint für Doris Segets im Keller. Klack, klack, klack. Mit schnellen Schritten läuft sie ihr entgegen. Sie rauscht durchs Treppenhaus, den Flur entlang, auf die graue, schwere Tür zu. Dahinter: ihr Labor. „Als ich das erste Mal hier unten im NETZ war, war das ein bisserl wie Heimkommen. Da ist für mich die Sonne aufgegangen.“
Hatte die Fränkin Stunden zuvor noch zweifelnd im Nieselregen am Duisburger Bahnhof gestanden, überzeugten sie Strukturen, Ausstattung und Interdisziplinarität an der UDE. Segets blieb und rauscht seit knapp drei Jahren nicht nur durch die Flure des NanoEnergieTechnikZentrums NETZ, sondern auch von Erfolg zu Erfolg, von Auszeichnung zu Auszeichnung. „Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Ehrlich, es gruselt mich auch ein bisserl.“
Sie öffnet die Labortür. Geschäftig läuft die rotblonde Juniorprofessorin durch den rechteckigen Raum. Geräte, Abzüge, Lüftungsrohre, an der Decke und den Wänden ringsherum. In der Mitte steht langgestreckt die Beschichtungsmaschine, das Herzstück des Labors. Sie war schon vor Doris Segets da, doch erst mit ihr kam sie so richtig zum Einsatz.
Es als Chefin besser machen
Mit ihrem Team sucht die Ingenieurin geeignete Weiterverarbeitungsmethoden für die industrielle Fertigung. Gerade für Technologien in der Energiespeicherung sind Nanomaterialien, für die Segets Expertin ist, geeignet. Das Ziel: die ganze Prozesskette von der Herstellung neuer Materialien bis zur fertigen Elektrodenschicht für Batterien oder Brennstoffzellen verstehen und verbessern. „Was extrem Nützliches finden, erfinden oder erforschen, das wär´s“, träumt die 38-Jährige, während sie durch das Labor läuft. „Das sieht ja auch erst die Nachwelt, wie sinnvoll das wirklich ist, was wir jetzt alles tun.“
„Wenn ich alt bin, dann zieh ich um die Häuser und mach Musik!“
Ein Mitarbeiter steckt den Kopf zur Tür herein, Segets bedankt sich herzlich bei ihm, er hatte zuletzt die benutzten Geräte gereinigt. Die Mitglieder des Teams stammen aus fünf Nationen und haben Kenntnisse aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Sie hat sie sorgfältig ausgewählt, und sie sind ihr wichtig. Viel hat Segets darüber nachgedacht, was für eine Chefin sie sein möchte. Transparente und effiziente Prozesse will sie anstoßen. In ihrem Team setzt die junge Professorin auf Chancengleichheit, eine bessere Kommunikation, eine Feedback-Kultur. Sie möchte Strukturen aufbrechen, mehr Wertschätzung in einem meist ungnädigen System. Vieles, was ihr auf ihrem Weg durch den Wissenschaftsbetrieb negativ aufgefallen ist, will sie besser machen, ihre Position nutzen.
Plan B war der bessere
Dass sie so etwas schaffen kann, stand nicht von Anfang an fest. Akademische Vorbilder gibt es keine, Doris Segets stammt vom Bauernhof und will nach dem Abi eigentlich Historikerin werden. Schnell verwirft sie den Wunsch jedoch, weil er ihr zu brotlos erscheint. Schließlich studiert sie Chemie- und Bioingenieurwesen. „Ich wollte in die Bioverfahrenstechnik,
landete aber über Umwegen in der Partikeltechnik, meinem Plan B“, wie sie sagt. Es passte mit den Partikeln und ihr. „Ein Zufall, für den ich heute noch dankbar bin.“
Auf ihrem Weg geht Doris Segets oft Dinge an, die eigentlich für jemanden eine Karrierestufe höher gedacht waren, die sie aber stets packt. Sie bringt viel Pragmatismus und Energie mit, denkt aber nicht nur in eine Richtung. Dass alles auch ganz anders kommen kann, hat sie immer im Hinterkopf.
Für eine Wissenschaftlerin bleibt sie ungewöhnlich lange an ihrer Heimatuni in Erlangen. Einen Doktortitel? Brauche ich nicht, findet sie, bis sie merkt, dass es die interessanten Jobs doch nur mit ihm gibt. „Nach der Promotion habe ich gedacht, dass ich ja nie so wahnsinnig bin und an der Uni bleibe, wie beknackt muss man denn sein?“, lacht sie. „Aber die Arbeit dort hat mir einfach so viel Spaß gemacht; und ich hatte einen guten Mentor und einen klaren Fahrplan, wie es an der Uni weitergehen kann, um mir selbst etwas aufzubauen. Dort habe ich damals mehr Freiheiten zur Weiterentwicklung gesehen, als im Ausland.“ Heute ist sie sicher: Es hätte auch funktioniert, wenn sie zwei Jahre in den USA oder in Japan gewesen wäre.
Noch keine 40 und schon viel geschafft.
Auch, wenn ihre Vita nach einem Durchmarsch klingt, den Weg vom Studium über die Promotion zur Professur beschreibt sie als hart. Ihre schärfste Kritikerin ist sie anscheinend selbst. „Man hadert auch viel mit sich“, gibt sie zu. „Das hehre Ziel, Professorin zu werden, das habe ich jetzt erreicht, das war wichtig für mich. Es ist was Großes geschafft, auf das man keinen Anspruch hat.“
Kaum vorstellbar, dass sie mal nicht arbeitet, wenn sie hinter ihren Bildschirmen und Papierstapeln auf dem Schreibtisch fast verschwindet oder durch ihr Labor marschiert. Sie ist erfolgreich, ihre Forschungslust groß, ihr Weg ohne Alternative, oder nicht? „Mit allem, was ich jetzt weiß und um mich herum sehe, würde ich, glaube ich, etwas ganz anderes machen. Ich sag immer scherzhaft: Wenn ich alt bin, dann zieh ich um die Häuser und mach Musik. Früher hab ich in einer fränkischen Blaskapelle gespielt.“ Lange hat sie Gartenarbeit nicht interessiert, inzwischen hegt und pflegt sie zu Hause viele Pflanzen und könnte sich gut vorstellen, anzubauen und zu ernten.
Kürzlich habe sie im Fernsehen einen Bericht über eine solidarische Landwirtschaft gesehen, die als Kommune mit Ziegen arbeitet, Käse herstellt und die Tiere versorgt. „Diese Lebensform fände ich spannend, weil es ganz anders wäre als das, was ich jetzt mache. Und es wäre was, wo man am Ende eines Tages etwas in den Händen hält“, sagt die Juniorprofessorin und macht im Labor, in dem noch Platz für weitere Geräte ist, das Licht aus. „Wenn ich noch ein Leben hätte, dann würde ich so etwas machen.“ Segets macht eine kleine Pause und lächelt: „Aber ich bin auch ziemlich zufrieden, wie es gerade so für mich läuft.“
www.forschungstalente.de – ein Klick, der lohnt. In Texten und Videos werden Talente porträtiert. Auch Doris Segets führt durch ihr Labor und spricht über die Arbeit und ihr Team.
Foto: Cathrin Becker