Bummeln mit Erfolg
Mathematiker Oliver Döschner war ein Langzeitstudent. Seiner Karriere geschadet hat das nicht. Er arbeitet heute in der Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes, dem BSI.
Herr Döschner, Ihr Arbeitgeber ist das BSI, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Was machen Sie dort?
Meine Bezeichnung mag etwas trocken klingen, sie ist es aber keineswegs: Ich bin Referent für Mindeststandards in der Bundesverwaltung. In meiner Abteilung schauen wir, was technisch, organisatorisch und personell zu tun ist, damit sämtliche Kommunikation sicher ist. Dies betrifft die Netze und IT-Systeme der einzelnen Behörden ebenso wie das herkömmliche Telefon, die Nutzung mobiler Endgeräte und von Clouddiensten bis zur klassischen Papier-Akte. Die Bundesverwaltung besteht aus vielen, teils sehr unterschiedlichen Behörden und Einrichtungen, zum Beispiel auch im Bereich Wissenschaft und Forschung; das macht es herausfordernd.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich tausche mich oft mit anderen Fachabteilungen des BSI aus. Ich habe viel Kontakt mit den Stellen der Bundesverwaltung, die wir bei der Umsetzung der Sicherheitsvorgaben und bei Problemen damit beraten. Wir bewerten IT-Systeme, schulen, informieren, und wir entwickeln Standards zur Sicherheit in der Verwaltung. Denn mit der Digitalisierung steigt auch die Abhängigkeit sowie das Risiko, von Schadsoftware oder auf andere Art „gehackt“ zu werden, weshalb Richtlinien und Regelungen permanent angepasst werden müssen.
Sie sind Mathematiker. Wie wird man dann IT-Sicherheitsspezialist?
Direkt geplant war das zunächst nicht. Studiert habe ich in Duisburg Mathematik und Informatik und aus Interesse zusätzlich noch Philosophie. Schon während der Uni habe ich nebenher programmiert, als Selbstständiger und als Werkstudent. Das war der Einstieg. Vom Programmierer in der Landesverwaltung NRW habe ich mich dann weitergebildet zu einem zertifizierten Experten für IT-Sicherheit. Das brachte dann auch einige Jobwechsel mit sich. Vor dem BSI war ich in einem Landesministerium und in der Bundesverwaltung beschäftigt. Meine Studienwahl mag typisch sein, mein Lebensweg ist es eher nicht.
Warum nicht?
Ich habe nicht schnell studiert, sondern das Uni-Leben sehr genossen und eine Weile auch lieber Geld verdient. Meine erste Anstellung nach dem Mathe-Diplom hatte ich in der Philosophie der Uni Bayreuth. Aber nicht als Programmierer, sondern eher in der Lehre.
Wie passt die Philosophie zur IT?
Mich hat sie einfach interessiert, und in Duisburg gab es in der Mathematik ein Projekt zur – damals noch recht neuen – ökonomischen Spieltheorie. Dabei ging es darum, wie das egoistische Entscheidungsverhalten des Einzelnen im Zusammenspiel mit den Aktionen anderer Akteure zu einem kooperativen Ganzen führen kann. Solche Fragen fand ich spannend. Irgendwann haben mich dann aber die Informatik und eine unbefristete Stelle in Köln mehr gereizt als die Forschung und Lehre an einer Uni.
Und wie passt die Mathematik zur Informatik?
Denken Sie an die Kryptographie, bei der mit mathematischen Verfahren sensible Informationen und Daten ver- und entschlüsselt werden. Vieles in der Informatik leitet sich aus der Mathematik ab und aus ingenieurwissenschaftlichen Fächern.
Hat Sie Ihr Studium gut auf Ihren Beruf vorbereitet?
Ja, aber anders, als Sie denken. Denn wie schon in der Schule lässt sich diskutieren, ob man all das Fachwissen braucht, das auf dem Stundenplan steht. Was ich an der Uni gelernt habe, ist das sehr strukturierte Denken, das Erkennen von Zusammenhängen und das Arbeiten in Projekten. Das sind nützliche Fähigkeiten, und sie werden von Arbeitgebern auch stark gewünscht.
„Nicht der schnurgerade Lebenslauf ist ausschlaggebend für den ersten Arbeitsvertrag, sondern dass man seine Entscheidungen erklären kann.“
Haben Sie gerne studiert?
Auf jeden Fall. Ich hatte eine Reihe guter Dozenten und viele Möglichkeiten im Diplom-Studium, über den Tellerrand zu schauen. Ich glaube, das verschulte Bachelor-/Master-System heute bietet diesen Freiraum nicht.
Sie haben zwölf Jahre studiert. Bereuen Sie das?
Nicht direkt. Obwohl ich im Studium getrödelt habe, habe ich ja meinen Weg gemacht. Dennoch würde ich heute einiges ein bisschen zügiger gestalten. Aber Mitte/Ende der 1990er, als die Softwareentwicklung groß aufkam, konnte man als Programmierer ohne Abschluss viel Geld verdienen. Das verleitet natürlich.
Welche Tipps haben Sie für heutige Studierende?
Mal ein bisschen links und rechts vom eigenen Fach schauen, in andere Vorlesungen gehen. Wo bekommt man sonst ein so breites Angebot an interessanten Veranstaltungen, wenn nicht an einer Uni?
Und wenn’s im Studium nicht so klappt, wie erhofft, hinterfragen, warum. In letzter Konsequenz sollte man keine Angst haben, sich neu zu orientieren. Nicht der schnurgerade Lebenslauf ist ausschlaggebend für den ersten Arbeitsvertrag, sondern dass man seine Entscheidungen erklären kann. Ich habe selbst Bewerbungsgespräche geführt, und wichtiger als ein schnelles Studium ist oft, was nebenher passiert ist: Was hat der- oder diejenige ausprobiert, in welchem Nebenjob Praxis gesammelt? Je mehr man im Beruf Fuß fasst, umso unwichtiger wird auch die Abschlussnote.
Oliver1970. Haben Sie jemals dieses Passwort verwendet?
Nein, niemals! (lacht) Vornamen und Geburtstag zu kombinieren, ist natürlich immer noch ein Klassiker unter den Fehlern. Warum, das war das Erste, was ich meinen Kindern erklärt habe: Der Mensch ist faul, merkt sich am liebsten, was ihm bekannt ist. Und das sind eben keine wilden Kombinationen aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Schadprogramme funktionieren leider so, dass sie Muster erkennen, Kombinationen aus gängigen Namen und Begriffe aus Wörterbüchern durchprobieren und damit in Windeseile Passwörter knacken. Die Login-Vorgaben auf Webseiten werden zum Teil immer strenger. Für uns Nutzer gibt es aber Werkzeuge für sichere Passwörter sowie Merkhilfen.
ITler sind introvertierte Nerds, die in ihrer Freizeit am Computer daddeln, so ist ein Klischee. Wie entspannen Sie von der Arbeit?
Ach, solche Vorurteile halten sich hartnäckig. Ich spiele tatsächlich viel – und zwar leidenschaftlich gerne Tischtennis. Mit vielen anderen zusammen in einem Verein in Bergisch-Gladbach. IT lässt mich aber auch dort nicht ganz los: Ich bin der Datenschutzbeauftragte unseres Clubs und kümmere mich gerade um freies WLAN auf der Sportanlage. Aber um das Klischee nicht sterben zu lassen: Ich zocke auch immer noch ganz gerne am PC!
Zur Person
Oliver Döschner (Jg. 1970) studierte in Duisburg Mathematik, Informatik und Philosophie (1989-2001). Nebenher war er Uni-Tutor, Werkstudent bei der Bayer AG und freiberuflicher Programmierer. Nach dem Diplom nahm er zunächst eine Stelle in der Philosophie der Uni Bayreuth an.
2003 wechselte er zum Hochschulbibliothekszentrum in Köln (IT-Sicherheit). Ab 2016 war er Informationssicherheitsbeauftragter im NRW-Ministerium für Arbeit und Gesundheit, ab 2019 dann im Bundeskartellamt. Seit diesem Jahr befasst sich Döschner beim BSI mit der grundlegenden Absicherung der Bundes-IT.
Foto: Thomas Merkenich